Malte Welding, Schreibender auf allen Ebenen (Liebeskolumnist, Buchautor, Drehbuchautor, Blogger,…) hat ein neues Buch verfasst und es ist sein erstes, das einen nicht zum Schmunzeln bringt. Nichtmal ein bisschen. Im Gegenteil. Und genau das macht es vielleicht zum besten und ehrlichsten Buch, das Welding je geschrieben hat.
Seid fruchtbar und beschwert Euch handelt von der Unmöglichkeit in Deutschland Kinder zu bekommen, wenn beide Elternteile berufstätig sein wollen. Es handelt von der nicht existenten Vereinbarkeit und scheint so ziemlich Alles aufzuzeigen, was in dieser Republik bei der Unterstützung von Familien falsch gemacht wird. Es wirft gar die Frage auf, ob es überhaupt im Interesse der Politik liegt, Familien zu fördern oder ob es vielmehr darum geht den Wirtschaftsfaktor Frau aus der Reserve zu locken.
Ist es also wahr, dass der Kapitalismus die Kinder frisst, die alle unbedingt haben wollen? Wenn das stimmt, frage ich mich, warum machen die Leute dann noch mit? Wenn sie Kinder wollen, warum kaufen sie dann ständig Handtaschen und Smartphones? Ich dachte wir jungen, liberalen Eltern sind alle bemüht um Geschlechtergerechtigkeit und Ausgewogenheit zwischen Job und Privatem. Wenn man dieses Buch liest, stellt man jedoch fest, dass nichts weiter entfernt ist, als die Gleichberechtigung im Kinderzimmer.
Welding, der Liebesexperte, sieht auch ein Problem in den Bindungsschwierigkeiten, die viele haben. Der häufigste Grund für die Kinderlosigkeit ist die Ermangelung des richtigen Partners. Das Buch liest sich, als wäre das Land voller verwöhnter Richkids ohne Verantwortungsgefühl für ihr eigenes Leben. Menschen die keine verbindlichen Beziehungen eingehen wollen zu Partnern, Freunden oder auch Jobs. Es erzählt von Freundschaften die zerbrechen, wenn einer Kinder bekommt, von Menschen, die nur mit ihrer eigenen Altersgruppe abhängen und sich selbst isolieren. Von Menschen, die ihre Eltern hassen. Die aktuelle Politik scheint da häufig nur ein Resultat dieser Gesellschaft zu sein.
Seid fruchtbar und beschwert Euch machte mich wütend mit all seinen Studien und Berechnungen. Wer wissen will, wie es tatsächlich um Paygap und die Aufteilung der Hausarbeit bestellt ist, sollte es unbedingt lesen. Hier steht wie viel Geld eine Frau durch ein Kind tatsächlich verliert und wie schwer der Widereinstieg in den Beruf ist. Am Ende kann ich nur sagen: Wenn die Zahlen und Statistiken stimmen, steht es viel schlechter um Deutschland, als ich zu träumen gewagt hätte.
Es gibt in diesem Buch ein Zitat des Regisseurs Dietrich Brüggemann, worin er beschreibt, dass er sein Leben als Gesamtkunstwerk betrachtet und Kinder daher dazugehören. Das ist ein schönes Bild und es geht mir ähnlich. Mein Leben ist nicht nur jetzt. Für mich persönlich gehören Kinder in das Bild meines Lebens, wie trügerisch und ungewöhnlich dieses auch sein mag.
Denn ich lebe offensichtlich in einer Blase. Meine Mutter ist Alleinverdienerin und ihr Mann war lange Jahre derjenige, der die Kinderbetreuung und den Haushalt verantwortete. Die Frau meines Vaters verdient vermutlich mehr als er. Meine alleinerziehenden Bekannten sind beruflich so erfolgreich, dass man nur hochachtungsvoll schlucken kann und mein Mann trägt meinen Nachnamen. Und so hat das Buch mich dankbarer gemacht. Denn Männer die kochen und Wäsche waschen sind glücklicherweise meine Realität in zweiter Generation. Jetzt erst, nach dieser Lektüre, merke ich, wie verwöhnt ich bin.
Zudem bin ich dankbar für all die Familien und vor allem die Frauen, die die Minderheiten in diesen Statistiken sind. Ohne Sie und ihre vorbildhafte Funktion hätte ich mich vielleicht nie getraut Vereinbarkeit gegen alle Widerstände einfach zu leben. Schade, dass sie keine Erwähnung finden in diesem Buch. Sie hätten es verdient.